Eva Gutfreund
„Es hat niemand gewusst, von wo ich komme.“

Nach der Befreiung benötigte Eva Gutfreund vier Monate, um sich von Ravensbrück bis nach Wien durchzuschlagen. Dort musste sie erfahren, dass ihre Großeltern und Tante Grete in einem KZ ermordet worden sind. Aufgrund ihres Zustandes nach der KZ–Haft diagnostizierte ein Arzt 50%ige Invalidität. Dennoch ging Eva Gutfreund sofort auf Arbeitssuche und fand eine Anstellung in einer Strickerei. Vermittelt hat ihr diese Arbeit Frau Löw, eine Fürsorgerin, die sich schon in ihrer Kindheit um sie gekümmert hatte. 1947 kam ihre Tochter zur Welt, 1950 heiratete sie den Vater des Kindes. Zu dritt wohnten sie neun Jahre in einem Kabinett auf 10 m2. Eva Gutfreund arbeitete bis zu ihrer Pensionierung in verschiedenen Betrieben. Mit ihrem Mann verbindet sie das durch den Nationalsozialismus erfahrene Leid. Seine Schwester, die vor 1938 zum jüdischen Glauben übergetreten war, wurde zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kind von den NationalsozialistInnen ermordet. Ansonsten spricht Eva Gutfreund mit niemandem über ihre Erfahrungen. 1954 musste sie sich einer schweren Operation – Eileiterdurchbruch und eitrige Bauchfellentzündung – unterziehen. Es folgten Gallenoperationen, Blasenoperationen und Wirbeloperationen. Ihre Gesundheit ist bis heute schwer angeschlagen.

Sie erhielt posthum am 8. März 2001 das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien und verstarb vermutlich zwischen 21. Februar und März 2001. Ein genaues Todesdatum ist uns nicht bekannt.


„Beim Westbahnhof angekommen, fragte ich dann dort einen Mann – das war so ca. um acht oder um halb neun in der Früh – wo denn da eine Straßenbahn gehe. Und er hat mir gesagt, ja, das möchten wir selber gern wissen, wann da eine geht. Also musste ich wieder von Mariahilf, von dem Westbahnhof, bis in den zweiten Bezirk in die Vorgartenstraße, wo ich ja gewohnt hab´, bevor ich weggekommen bin, hingehen und – dann kam ich halt dort an, und die erste Begegnung, die ich dort hatte, war die Frau dieses Menschen, der mich dort hingebracht hat. Und sie hat gesagt, „na und du bist scho´ wieder da?“ – Und ich hab´ sie eigentlich in meiner Euphorie sehr beschimpft, aber ich glaub´, das war weniger als das, was ich erlebt hab’.“

„Dann musste ich gehen wegen einer Lebensmittelkarte, wie es damals war ‘45, und musste auch zu einem Arzt gehen, weil das immer schlimmer geworden ist, und ich immer mehr Eiter in den Löchern gehabt hab´. Und der hat mir dann gesagt, ich soll zum Bäcker gehen und soll ihn bitten, er soll mir jeden Tag ein Packerl Hefe geben, und der hat mich dann gefragt, für was ich sie brauch’, und ich hab´ ihm dann nur die Hände gezeigt, und er hat gesagt, ich kann kommen. Und es hat mir wirklich geholfen.“



„Einmal, da war so ein Aufruf, und da bin ich dann auf die Kultusgemeinde gegangen. Und zwar haben sie gesagt, wenn man jemanden weiß, der einer jüdischen Familie oder einem jüdischen Menschen geholfen hat, der soll kommen, sie kriegen ein Paket. Und da bin ich dann hingegangen und habe gesagt, also die Familie Forster – wir haben Forster geheißen – die haben mir geholfen, und die haben mir ins KZ Pakete geschickt. Da habe ich ihnen so ein Paket nach Hause gebracht.“

„Wir haben nie eine Wohnung bekommen. Was ich bekommen habe, war einmal 2.740,– Schilling, das war meine Entschädigung. Und jetzt die 70.000,– Schilling. Aber ich habe nichts bekommen für die Zeit, wo ich im KZ gearbeitet habe, wo ich für Siemens gearbeitet habe. Ich habe auch keinen Anspruch auf diese Geschäfte, die meine Großeltern gehabt haben, weil ich ein lediges Kind war. Dadurch habe ich auch keine Ansprüche. “


Antisemitismus nach 1945


Ca. 65.000 Juden und Jüdinnen aus Österreich wurden von den NationalsozialistInnen ermordet. Nach 1945 kehrten rund 14.000 jüdische EmigrantInnen nach Österreich zurück. Die neue österreichische Regierung versuchte, jegliche Rückerstattung von „arisiertem“ Eigentum hinauszuzögern, da eine Mitverantwortung an der Shoah geleugnet wurde. Der damalige Wiener Bürgermeister Theodor Körner bezeichnete den Antisemitismus in Wien als „Märchen“. Gleichzeitig kam es zu erneuten antisemitischen Aktionen, wie Demonstrationen gegen die jüdischen KZ-Überlebenden (displaced persons), Drohbriefe an die wiederaufgebaute Israelitische Kultusgemeinde und Schändungen jüdischer Friedhöfe. Antisemitische Einstellungen treten im Zuge von öffentlich-medial geführten Debatten (wie etwa Peter-Kreisky-Wiesenthal- oder Waldheim-Affäre) verstärkt offen zutage.