Eva Gutfreund

„Und wie dann der Hitler gekommen ist, mussten wir ja auch weg von der Schule …“

Eva Gutfreund wurde 1926 in Wien als uneheliches Kind geboren. Ihre Mutter wurde vor die Wahl gestellt, entweder mit dem Kind aus der Familie verstoßen zu werden oder ihre Tochter wegzugeben. Die Mutter entschied sich für Letzteres und so kam Eva Gutfreund in ein Heim und mit drei Jahren zu Pflegeeltern. Um die Miete für die Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung bezahlen zu können, vermietete die Pflegefamilie das Kabinett an einen Untermieter. Trotz der Armut, in der sie aufwuchs, bezeichnet Eva Gutfreund ihre Kindheit als eine schöne Zeit. Die „Lieblingstante Grete“ besuchte ihre Nichte immer wieder, brachte die Unterhaltszahlungen und dazu noch Schokolade und Zuckerln. 1938 änderte sich ihr Leben. Ihre leibliche Mutter war Jüdin, und so galt Eva Gutfreund nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als „Nichtarierin“. Am 19. Oktober 1943 wurde sie um fünf Uhr früh von der Gestapo verhaftet, einige Tage nachdem ein Nachbar der Familie angedroht hatte, sie bei der Gestapo wegen regimefeindlicher Äußerungen zu denunzieren. Während Eva Gutfreund 1943 auf der Elisabethpromenade inhaftiert war, erfuhr sie, dass ihre Mutter in die Nachbarzelle des Gestapogefängnisses gebracht worden war. Mit Hilfe ihres „arischen“ Ehemannes wurde sie entlassen und überlebte in einer „privilegierten Mischehe“ in Wien. Am 15. November 1943 wurde Eva Gutfreund ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert.

„Ich war in der Pazmanitengasse in der Schule, und die Kinder haben uns schon – eigentlich mit Steinen beworfen, auf die anderen Kinder dort. (…) Aber die schlimmste Zeit war ja, wie sie die Sterne getragen haben. Aber ich hab’ ja nie einen Stern getragen, nie einen Stern getragen. (…) Aber in der Schule – wir haben schon gelernt, und es war ganz normal – aber nur das Rausgehen aus der Schule, auch das Hineingehen in die Schule, da sind immer Kinder gestanden und haben auf uns geworfen und haben uns bespuckt. Und dann war das ein weiter Weg, von der Reichsbrücke bis zur Pazmanitengasse …“




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Die Verfolgung und Ermordung der Wiener Juden und Jüdinnen

Nach der Machtübernahme beteiligten sich große Teile der Wiener Bevölkerung an pogromartigen Überfällen auf Juden und Jüdinnen sowie an Plünderungen ihrer Geschäfte und Wohnungen. Die „Arisierung“ von jüdischem Eigentum erfolgte durch NSDAP-Stellen, durch die Gemeinde Wien und auf Eigeninitiative der nichtjüdischen WienerInnen. Die Großeltern von Eva Gutfreund wurden auf diese Weise ihrer drei Ledergeschäfte und ihres Wohnsitzes beraubt. Zwischen März 1938 und Ende Juli 1939 wurden 104.000 Wiener Juden und Jüdinnen in die Emigration getrieben. Nach Kriegsbeginn erschwerte sich die Ausreise massiv, da die NationalsozialistInnen anstelle der gezielten Vertreibung nun die Ghettoisierung der Juden und Jüdinnen forcierten. 1941 begann die systematische Deportation und Ermordung der Juden und Jüdinnen Wiens in Ghettos und Vernichtungslagern im Osten. Nach dem Vorbild der Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ unter der Leitung von Adolf Eichmann wurde die Vertreibung und Deportation der Juden und Jüdinnen in ganz Europa organisiert.