Leopoldine B.
„Ohne geschichtlichen Wert”

Leopoldine B. wurde 1914 als uneheliches Kind in Bad Ischl geboren. Sie besuchte eine Klosterschule und zog als Achtzehnjährige mit ihrem Ehemann nach Wien. Ab 1933 lebte sie mit ihrem neuen Lebensgefährten Franz N. zusammen. Im gleichen Jahr wurde sie wegen „geheimer Prostitution“ mit zehn Tagen Arrest bestraft. Ihre Tochter wurde 1935 geboren. Seit Sommer 1938 traf sie sich regelmäßig mit Marie H. Über einen jüdischen Freund lernte sie ein Jahr später Anni Z. kennen. Im April 1940 wurde sie wegen Verdachts auf „Rassenschande“ verhaftet und im lokalen Polizeikommissariat auch zu ihren intimen Beziehungen mit Frauen vernommen. Gemeinsam mit Marie H. und Anni Z. wurde gegen sie Anklage wegen § 129Ib erhoben. Das Landesgericht Wien verurteilte Leopoldine B. am 22. Oktober 1940 zu sechs Monaten schweren Kerkers. Kurz vor ihrer Entlassung forderte die Kriminalpolizei, mit der Absicht sie in ein KZ zu deportieren, ihre Strafakte an.





Der Streit um die Bestrafung gleichgeschlechtlicher Frauenbeziehungen 1938/39


Anders als in Deutschland wurden Lesben in Österreich strafrechtlich verfolgt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich wurde die Frage aktuell, ob lesbische „Handlungen“ weiterhin bestraft werden sollten. Die Gegner argumentierten, dass die meisten Frauen nur „verführt“ worden seien, weiterhin jedoch „fortpflanzungsfähig“ blieben. Befürworter, wie z.B. der Wiener Strafrechtsexperte Roland Grassberger und Reichsminister Hans Frank, hielten an der strafrechtlichen Verfolgung weiblicher Homosexualität fest. Nach dem „Anschluss“ kam es zu keiner Vereinheitlichung der Rechtspraxis. In Österreich blieb auch nach 1938 lesbische Sexualität kriminalisiert.